Eltern zu ermahnen reicht nicht – die Bundesinnung der Augenoptiker und Optometristen schlägt Alarm wegen der rasant ansteigenden Kurzsichtigkeit bei Kindern und fordert konkrete Lösungsansätze. Schulen, aber auch Behörden und Forschungseinrichtungen müssen umdenken. Die Bundesinnung bietet Tipps für den Umgang mit der Myopie.

Kurzsichtigkeit nimmt bei Kinder zu

Die Schulzeit beginnt – rund 85.000 Tafelklassler starten diesen September durch. Etwa die Hälfte von ihnen wird in Zukunft kurzsichtig sein. Zu viel Zeit vor dem Handybildschirm und zu wenig Spiel an der frischen Luft haben zu einer stark anwachsenden Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern geführt. Heranwachsende brauchen zwei Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag und am besten nicht mehr als eine Stunde vor Handy- und Computer-Bildschirmen. Denn dort wird nur in die kurze Distanz geblickt. Das Auge „verlernt“, in die Ferne zu sehen. Auch das mangelnde Tageslicht und das Blaulicht des Bildschirms schaden dem Auge. Die Kurzsichtigkeit ist irreversibel. Kinder mit hoher Myopie können später schwerwiegende Augenerkrankungen erleiden, wie z.B. grüner Star oder Netzhautablösung.

„Es ist wichtig, Eltern auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Aber das allein reicht nicht“, warnt Markus Gschweidl, Bundesinnungsmeister der Augenoptiker / Optometristen. „Mittlerweile ist unter den Kindern die Kurzsichtigkeit zur Norm geworden.“ Vor allem in Teilen Asiens steigt die Zahl der Kurzsichtigen rasant (80 bis 90 Prozent der Jugendlichen). In Europa ist bereits jeder zweite junge Mensch betroffen.

„Wenn wir von 40 bis 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen ausgehen, dann handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem mit weitreichenden Folgen für die Volksgesundheit. Es ist höchste Zeit für konkrete Maßnahmen“, fordert Gschweidl. In anderen Ländern wird bereits gehandelt – etwa in China, wo die Regierung vor kurzem einen Plan gegen die Kurzsichtigkeit bei Kindern vorgestellt hat, bei dem Regierungen, Schulen, Gesundheitsinstitutionen und Familien zusammenarbeiten sollen.

Schulen müssen umdenken

Die Augenoptiker und Optometristen fordern daher ein Umdenken, angefangen mit den Schulen. „Wenn Kinder für eine optimale Seh-Entwicklung mindestens zwei Stunden täglich im Freien sein sollten und einen Großteil ihrer Zeit in der Schule und im Hort beziehungsweise bei Hausaufgaben verbringen, dann müssen diese Stunden in den Schul- und Horttag integriert werden.“ Die Schulen seien daher angehalten, Wege zu finden, wie auch in der kühleren Jahreszeit, beispielsweise, mehr Sportunterricht oder andere Maßnahmen im Freien stattfinden können. Kritisch sieht Gschweidl auch Hausaufgaben, die mehr als eine Stunde  Nahsehen erfordern. Ansätze, das Ausmaß der Computerarbeit zu steigern, seien zu hinterfragen. „Das digitale Klassenzimmer ist – aus Augensicht – ein Horror“.

Wir können das Rad nicht zurückdrehen

Unsere Möglichkeiten, die Bildschirmzeit zu reduzieren, sind als Gesellschaft aber beschränkt. „Uns muss klar sein, dass wir nicht das Rad zurückdrehen können. Unser Medienkonsum, viele, viele Jobs, unser soziales Netz, all das findet zunehmend digital statt. Wir können nicht einfach sagen, ‚verwendet nur eine Stunde am Tag den Computer.‘ Wir müssen Wege finden, die Gefährlichkeit der Nutzung zu reduzieren.“ Hier sind beispielsweise neue Forschungsansätzen gefordert. Lobend erwähnt der Bundesinnungsmeister etwa eine Studie der Universität Tübingen, die sich mit der Frage befasst hat, ob heller Text auf dunklem Hintergrund Myopie-hemmende Eigenschaften hat.

Gemeinsame Ansätze müssen her

„Kurzsichtigkeit geht uns alle etwas an und erfordert ein gemeinsames Vorgehen“, sagt Gschweidl. „Gesundheitsinstitutionen, Schulen, Behörden und Eltern aber auch Gerätehersteller und Forscher müssen gemeinsam mit den Augenoptikern und Optometristen und den Ophthalmologen an einem Strang ziehen.“ Derzeit gibt es zwar Zahlen über den Anstieg der Myopie bei jungen Menschen weltweit und für Europa, doch für Österreich gibt es keine gesicherten Zahlen. „Das ist ein Wahnsinn – schließlich geht es um die Zukunftunserer Kinder.“

Was können Eltern tun?

  • Lassen Sie die Augen Ihrer Kinder jährlich kontrollieren. Kurzsichtigkeit wird vor allem dann gefährlich, wenn sie nicht korrigiert wird und stark ansteigt. Augenoptiker und Optometristen überprüfen die Sehleistung und informieren umfassend.
  • Brillenauswahl. Die richtige Brille korrigiert die Sicht exakt – die Gläser dürfen nicht über- oder unterkorrigieren. Deswegen ist die häufige Kontrolle so wichtig. Auch die beste Brille kann aber die fortschreitende Kurzsichtigkeit nicht aufhalten.
  • Besondere Kontaktlinsen. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von weichen Multifokal-Kontaktlinsen und Orthokeratologie-Linsen bei manchen Kindern denFortschritt der Myopie verlangsamt. Gschweidl rät: „Seit Jahresbeginn beteiligen sich die Krankenkassen bei jenen Kindern an den Kosten für solche Linsen, deren Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine Dioptrie zunimmt. Informieren Sie sichbei Ihrem Augenoptiker und Optometristen!“
  • Gemeinsame Regeln. Vereinbaren Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Regeln für die Bildschirmnutzung. Besprechen Sie, was es mit seinem digitalen Zeitbudget anfangen will (Videos, Handyspiele). Überlegen Sie aber auch mit ihm, wie es jeden Tag auf seine Zeit im Freien kommt und warum das wichtig ist.
  • Gutes Beispiel. Wie oft sind Sie zum Vergnügen im Freien? Wie sieht es mit Ihrer Handynutzung aus? Und wann waren Sie das letzte Mal bei der Augenkontrolle?